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Tessa und Tim: Meerschwein gehabt

©2015 176 Seiten
Reihe: Tessa und Tim, Band 1

Zusammenfassung

Tessa sitzt in der Patsche. So richtig tief. Sie hat aus Versehen Meerschwein Pepper ""verloren"". Pepper ist mit seiner Kumpeline Bel Gast in der Tierpension ihrer Eltern. Und Bel fühlt sich nun ganz einsam. Für Tessa ist klar - sie muss:
1. Pepper schnellstens wiederfinden,
2. Bel Gesellschaft verschaffen, damit sie vor Einsamkeit nicht noch krank wird und
3. die ganze Sache unbedingt vor ihrer Familie und Meerschweinchenbesitzerin Frau Zicklinski geheimhalten, damit sie keinen Ärger bekommt.
Tessa hat auch schon einen genialen Plan, wie ihr das alles ganz sicher gelingen wird. Dazu braucht sie nur Schlammkuchen, Haarfärbemittel und ein anderes Meerschwein. Allerdings hat Tessas Plan so seine Tücken und bringt sie in die haarsträubendsten Situationen ... eine rasant-witzige Geschichte zum Mitlachen und Mitfiebern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Widmung

Für meine großartigen Kinder und meinen Mann,

die mich auf die Idee zu diesem Buch gebracht haben.

Wer sich dieses Buch für dich ausgedacht hat

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Corinna Wieja liest, übersetzt und schreibt am liebsten spannende und lustige Bücher. Wie Tessa und Tim mag sie Tiere und teilt sich deshalb mit ihrer verfressenen Katze manchmal sogar den Schreibtischstuhl. Wenn du wissen willst, welche Geschichte sie gerade schreibt, dann blättere ganz nach hinten. Dort kannst du in eines ihrer neuen Bücher reinlesen. Eine Auflistung von all ihren Büchern, Malvorlagen, Spielen, Leseproben und andere Extras zum kostenlosen Ausdrucken findest du hier: www.corinnawieja.de.

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Ein Buch wird mit Bildern noch schöner.

Die Bilder in diesem Buch sind von Isabel Wieja. Sie ist Corinnas Tochter und zeichnet, wo sie geht und steht. Wenn sie mal nicht zeichnet, dann liest sie – am liebsten Fantasyromane und Mangas. Außerdem studiert sie Japanisch und Norwegisch. Ihre Lieblingstiere sind Bartagamen … und Meerschweinchen … und Hunde … und Katzen und … äh ja, eigentlich alle Tiere, bis auf Stechmücken vielleicht.

Und jetzt geht’s mit der Geschichte los …

1. Ein Pechvogel kommt selten allein

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Rrrrrrring! Verflixt, der Wecker macht einen Höllenlärm. Blind greife ich danach und stemme mühsam die Augen auf. Halb sieben. Seufz! Nicht mal in den Ferien kann ich im Bett bleiben und ausschlafen. Dabei wäre heute ein idealer Bleib-im-Bett-und-schlaf-dich-aus-Tag. Der Himmel ist grau und Regen trommelt grässlich laut ans Fenster.

Ich drücke die Schlummertaste und vergrabe den Wecker unter meinem Kopfkissen. Ich habe ihn extra so früh gestellt, damit ich meine Eltern am Frühstückstisch erwische. Ich muss mit ihnen reden, denn ich habe gestern schon wieder beim Losen gegen Tim verloren. Zum fünften Mal hintereinander. Der schummelt doch! Wie sonst lässt sich erklären, dass immer er den Zettel zieht, auf dem „Gassi gehen“ steht? Ich muss nur noch herausfinden, wie mein Bruderherz das anstellt. Ich habe nämlich wirklich keine Lust, die ganzen Ferien über allein die Katzenklos und die Kaninchenkäfige sauber zu machen! Wenn ich meinen speziellen Bitte-bitte-Blick einsetze, verdonnern Mama und Paps Tim vielleicht dazu, dass er sich mit mir abwechselt oder mir wenigstens heute hilft.

Erst mal kuschele ich mich aber noch tiefer unter die Decke. Nur ein paar Minuten noch. Der Dreck in den Kaninchenkäfigen läuft ja nicht weg. Leider. Wäre doch schön, wenn die Hasenköttel Füße bekämen und von selbst zur Mülltonne tippeln würden. Ich muss grinsen, als ich mir das vorstelle: eine Parade kleiner brauner Kügelchen, die durch unseren Garten marschiert. Das wäre mal ein nützlicher Zaubertrick! Wenn Tim den könnte, hätte ich auch nichts mehr gegen seine nervkrötigen Kartentricks, die er immer an mir ausprobiert.

Tim will unbedingt Zauberkünstler werden und so berühmt wie David Copperfield, Jan Rouven oder Harry Potter. Dabei ist Tim im Zaubern ungefähr so geschickt wie eine Kuh beim Rollschuhlaufen.

Wird der Esel genannt, kommt er gerannt, sagt meine Oma immer. Wie wahr! Die Tür fliegt auf und mein Bruder stürmt ins Zimmer. „He, Tessa, wach auf! Ich hab einen neuen Trick, den musst du dir unbedingt anschauen.“

„Aber nicht jetzt! Will noch schlafen. Verschwinde“, nuschle ich und ziehe mir die Decke über den Kopf.

Tim und ich sind Zwillinge, aber wir sind uns überhaupt nicht ähnlich. Er hat kurze blonde Haare und blaue Augen, ich habe lange braune Haare und grüne Augen. Sein Name hat drei Buchstaben, meiner fünf. Ich bin morgens ein Murmeltier, er ist so munter wie das Kikeriki eines Hahns.

„Nein, das muss ich dir sofort zeigen. Ich hab den Trick ewig geübt. Der ist richtig schwer, aber jetzt kann ich’s“, sagt er und zieht mir die Decke vom Kopf. In der Hand hält er einen Zylinder, in dem ein Ei rumkugelt.

Ich richte mich auf und ziehe die Augenbrauen zusammen, und zwar so, dass er es auch mitbekommt. „Was soll das werden? Frühstück am Bett?“

„Nee, viel besser.“ Tim grinst. „Pass auf!“ Er wedelt mit der Hand in beschwörenden Kreisen über dem Ei im Zylinder. „Abrakadabra verschwindibus!“ Dann dreht er mit Schwung den Zylinder um.

„Neeeeeeein!“, brülle ich und werfe das Kopfkissen nach ihm. Ich verfehle ihn nur um Millimeter, weil er sich geschickt zur Seite dreht. Trotzdem ist es zu spät. Das Ei platscht auf den Boden. Dotter und Eiweiß vermischen sich zu einer glitschigen, gelbweißen Pfütze auf meinem Teppich. „Du Schusselkopf! Mein schöner weißer Flauscheteppich! Der ist jetzt total hin. Warum hast du kein gekochtes Ei genommen? Oder eins aus Plastik?!“

Tim kratzt sich am Kopf. „Komisch, vorhin hat es noch funktioniert. Da muss was mit der Geheimklappe nicht stimmen …“

„Ich glaube, bei dir stimmt’s nicht!“, sage ich. „Und zwar hier.“ Ich tippe mir an die Stirn. „Das machst du sofort sauber!“

Tim reagiert nicht. Er untersucht immer noch seinen Zylinder. Verärgert springe ich aus dem Bett – mitten in die Eierpfütze hinein. Örks! Das ist so was von eklig. Vorsichtig hebe ich meinen Fuß hoch. Das Eiweiß zieht lange klebrige Fäden und ich wünsche mir, ich wäre nie aufgestanden. Dotter tropft von meinem großen Zeh. Na warte!, denke ich mir und will Tim am Kragen packen, damit er sich endlich um den Eiermatsch kümmert. Tim weicht mir jedoch grinsend aus. Ich gerate ins Schwanken, weil ich immer noch wie ein Storch auf einem Bein stehe. Hopsend versuche ich, mein Gleichgewicht wiederzufinden. Dabei rudere ich wild mit den Armen und bin kurz davor umzufallen. Blöderweise lande ich mit dem anderen Fuß auf den Eierschalen. Es macht krack und der Matsch und die Schalenstücke kleben auch an diesen Zehen. Kurz überlege ich, ob ich Tim den Zylinder über den Kopf ziehen soll, damit er selbst in der Geheimklappe verschwindet.

Dann aber schließe ich die Augen und stelle mir zur Beruhigung ein tiefblaues Meer vor, dazu einen Strand mit Palmen. Alle meine Freundinnen liegen jetzt irgendwo in der Sonne am Meer. Und ich? Hach, wäre das schön, endlich mal wieder in den Urlaub zu fahren. Ohne Tim! In Gedanken verfasse ich eine Liste, wie ich meinen Bruder loswerden könnte.

- In einer Rakete zum Mond schießen (leider habe ich keine Rakete).

- Im Restaurant des Möbelhauses vergessen (sollte ganz einfach sein, wenn die Hackfleischbällchen im Angebot sind. So gern, wie Tim die isst).

- Ihn mit einem seiner Zaubertricks verschwinden lassen (dazu müsste ich allerdings selbst erst mal zaubern lernen).

Ich schüttele mich aus meinem Tagtraum. Herumspinnen hilft mir nicht weiter. Erst mal muss das Ei weg. Außerdem bin ich schließlich die Vernünftige von uns beiden. „Jetzt geh schon und hol einen Lappen!“, befehle ich ganz ruhig. „Ich kann nicht, ich tropfe.“

Tim kichert. „Ja, aber dein Eiertanz war cool.“

Wortlos deute ich mit dem Finger zur Tür.

„Ja, ja, schon gut“, sagt Tim und verzieht sich. Kaum ist er zur Tür raus, höre ich lautes Gepolter und einen ohrenbetäubenden Schrei. Die Stimme erkenne ich sofort – Mama. Gleich darauf poltert es wieder und jemand flucht. Eindeutig Paps. Mit einem letzten Blick auf den Wecker – es ist gleich sieben, eine echt bescheuerte Zeit zum Aufstehen in den Ferien! – stürze ich aus dem Zimmer und laufe zum Bad. Von dort kam der Schrei. Unterwegs verteile ich überall den Eiermatsch.

Vor der Badezimmertür steht Tim wie versteinert. „Was war das denn?“, flüstert er.

„Keine Ahnung“, antworte ich. „Aber das werden wir gleich herausfinden.“ Mein Herz trommelt wie wild, als ich die Tür aufreiße. Ach du liebes Gänseblümchen! Was ist denn hier los? Ich reibe mir die Augen, aber das Bild bleibt dasselbe. Meine Eltern liegen übereinander auf den weißen Fliesen! Paps hält sich das linke Bein und jammert, Mama den rechten Arm und jammert.

„Was macht ihr denn da?“, frage ich, obwohl das eigentlich klar ist. Sie liegen auf dem Boden und jammern.

„Mir ist beim Duschen … ah … die Seife nach draußen geflutscht“, erklärt Mama mit Autsch-Gesicht. „Als ich sie aufheben wollte, bin ich gestolpert. Dabei habe ich mir wohl den Arm verrenkt.“

„Wieso hast du denn kein Duschgel genommen?“, frage ich. Sie schenkt mir einen Blick, mit dem sie Wasser gefrieren lassen könnte.

„Weil es alle war“, antwortet sie und schwenkt den Eisstrahlblick zu Paps.

„Ja, ich geb’s zu. Ich hab es aufgebraucht und nicht Bescheid gesagt. Tut mir leid. Aber meine Strafe dafür habe ich ja schon.“ Paps verzieht stöhnend das Gesicht. „Ich bin nämlich auf der Seife vor der Dusche ausgerutscht.“ Seine Schlafanzughose hat an einer unvorteilhaften Stelle einen nassen Fleck. Tim und ich starren wie gebannt darauf. Er bemerkt unseren Blick. „Das ist Wasser. Nicht, was ihr denkt!“, sagt er und zieht eine Grimasse. „Und jetzt steht da nicht so rum. Wir könnten Hilfe gebrauchen.“ Auffordernd streckt er mir den Arm entgegen.

Meine Eltern wären wohl auch besser im Bett geblieben, schießt es mir durch den Kopf. Aber das sage ich lieber nicht laut. Die beiden sehen echt fertig aus.

„Tim, komm, pack mal mit an.“ Ich sag nur: ächz. Paps ist ein ganz schön schwerer Brocken. Und ich bin nun mal keine Ameise, die das Hundertfache ihres Gewichts schleppen kann. Paps hüpft auf einem Bein zum Klo, Mama schafft es mit Tims Hilfe zum Badhocker.

Vorsichtig setzt Paps den Fuß auf – und verzieht erneut das Gesicht. Er betastet den Knöchel. „Ich glaube, mein Fuß ist gebrochen“, sagt er. „Was ist mit dir, Sandra?“ Mama streckt den Arm aus, Paps tastet ihn ab. Mama hat die Lippen fest zusammengepresst. Ihr Gesicht ist so weiß wie Käsesahnetorte. Es muss richtig weh tun. Paps ist zwar Tierarzt, aber mit Menschen kennt er sich genauso gut aus. Behauptet er. „Tja“, sagt er. „Das Gelenk ist geschwollen.“ Als er vorsichtig Mamas Hand dreht, schreit sie auf. Also Mama, nicht die Hand. „Entschuldige. Hm, vielleicht ist die Hand gebrochen. Tessa, ruf bitte Oma Lina an. Wir müssen ins Krankenhaus zum Röntgen.“

„Sollen wir nicht den Notarzt rufen?“, fragt Tim sofort. Er würde wohl gerne mit Blaulicht in die Klinik rasen.

Paps schüttelt den Kopf. „So schlimm ist es nun auch wieder nicht.“

Ich gehe also nach unten zum Telefon und alarmiere Oma. Dann helfen wir Mama und Paps beim Anziehen. Das ist echte Schwerstarbeit, uff. Nach wenigen Minuten tuckert Oma in ihrem alten Käfer an. Tim läuft runter und macht ihr die Tür auf. Kurz darauf taucht Oma im Bad auf und fuchtelt aufgeregt mit den Händen. Ihre kurzen braunen Haare stehen wie Igelstacheln in alle Richtungen ab. Offenbar ist sie sofort los, ohne sich zu kämmen. „Ihr macht ja Sachen, Kinder. Meine Güte! Aber zum Glück bin ich ja jetzt da.“ Oma wuschelt Paps durch die Haare und tätschelt Mamas Wange. „Kommt, fahren wir ins Krankenhaus“, sagt sie.

Mit vereinten Kräften verfrachten wir meine Eltern in Paps‘ Jeep, was gar nicht so einfach ist – noch mal ächz. Warum muss das Trittbrett auch so hoch sein. Allerdings ist der Jeep größer als Omas Käfer und wir passen alle rein. Auf dem Weg zum Krankenhaus ist es mucksmäuschenstill im Auto, wahrscheinlich, weil wir bis auf Oma alle starr sind vor Angst. Oma heizt um die Kurven wie Sebastian Vettel. Dabei haut sie die Gänge so fest rein, dass der Motor jedes Mal protestierend aufkreischt. Ich klammere mich am Griff der Tür fest und bete, dass wir die Fahrt lebend überstehen. Ein Blick in die verzerrten Gesichter meiner Eltern verrät mir, dass sie entweder immer noch höllische Schmerzen haben oder Omas Fahrkünsten auch nicht besonders vertrauen. Vielleicht auch beides.

Leider behält Paps recht. Der Arzt in der Unfallklinik stellt fest, dass Arm und Bein gebrochen sind. Jetzt sitzt Paps mit Schienen am verbundenen Bein in einem Rollstuhl und Mamas Arm steckt in einer seltsamen Schale.

„Tja, wie es aussieht, sind wir echte Pechvögel.“ Paps lächelt schief.

„Ach, das wird schon wieder“, sage ich tröstend, während Tim vorsichtig mit der Hand über Mamas Verband fährt.

„Fühlt sich ziemlich kalt an. Weißt du was, Mama, ich male dir nachher was drauf“, sagt er.

„Au ja“, rufe ich. „Und ich male dir was, Paps. Vielleicht ein Comic, dann bekommt ihr bessere Laune.“ Ich sehe schon zwei Hühner vor mir, die auf Eiern tanzen und mit Seife jonglieren.

Oma Lina wirft Mama und Paps einen aufmunternden Blick zu. „Nun, ihr zwei, wenn ihr fertig seid, dann lasst uns nach Hause fahren. So langsam bekomme ich Hunger.“

„Ich fürchte, daraus wird nichts“, erwidert Paps. „Wir sollen erst mal im Krankenhaus bleiben.“

„Wieso das denn?“, fragt Oma.

Paps nuschelt was von „komplizierter Bruch“, „genagelt werden“ und „zur Beobachtung“. Huch, das klingt jetzt aber gar nicht gut.

Oma bemerkt meinen erschrockenen Blick. „Macht euch keine Sorgen, Kinder. Eure Eltern sind hier im Krankenhaus gut aufgehoben. Sicher geht es ihnen bald besser.“

Mama nickt. „In ein paar Tagen sind wir wieder zu Hause, aber es wird wohl noch Wochen dauern, bis der Gips runterkann. Eine Katastrophe. Was sollen wir jetzt nur machen?“ Mama rauft sich mit der gesunden Hand die Haare.

„Na, ihr legt euch jetzt erst mal ins Bett und ruht euch aus“, sage ich ganz cool, auch wenn ich mich insgeheim dasselbe frage.

„Bleibt euch ja nichts anderes übrig“, fügt Tim hinzu und zuckt mit den Schultern.

„Aber wer soll sich denn dann um die Tierpension, um die Tiere kümmern? Das schafft ihr doch nicht allein. Und was ist mit deiner Praxis, Peter?“ Mama klingt echt verzweifelt.

„Mein Kollege wird mich vertreten“, antwortet Paps. „Ich habe ihn vorhin angerufen. Aber die Tierpension …“

„Also, ich bin ja wohl auch noch da!“ Oma Lina stemmt die Hände in die Hüften. „Ich muss zwar noch ein paar Joghurtbechermobiles und Nudelbilder für die Ausstellung nächste Woche machen, aber das kann ich auch bei euch. Ich packe einfach Polly ein und ziehe zu euch.“ Sie legt einen Arm um Tim, den anderen um mich. „Macht euch keine Sorgen. Wir kümmern uns um alles, nicht wahr, Tessa? Tim?“

„Ach Oma, wir sind doch keine Babys mehr. Wir kommen auch alleine klar. Mit den Tieren kennen wir uns aus, das ist doch nicht so schwer“, erwidert Tim.

Ich nicke. Meine Oma ist zwar echt lieb, aber sie hält uns immer noch für Kleinkinder. Und wer hört mit zehn Jahren schon gern Sprüche wie: „Iss deinen Teller auf, sonst gibt es schlechtes Wetter!“ Einmal habe ich geantwortet, dass der Teller zu hart für meine Zähne ist. Daraufhin hat Oma Lina mich streng angeguckt und gesagt, ich solle nicht so naseweis sein. Auch wieder so ein altmodisches Wort. „Für Polly wäre das bestimmt megastressig. Sie ist ja nicht mehr die Jüngste“, füge ich hinzu.

Polly ist Omas frecher Graupapagei, der jede Menge Kunststücke beherrscht. Bevor Oma in Rente ging und Nudel- und Joghurtbecherkünstlerin wurde, war sie Tiertrainerin beim Film. Deswegen kann Polly auf Kommando Purzelbäume schlagen, Stöckchen bringen und solche Sachen. Blöd nur, dass Polly das auch gerne mal ohne Kommando macht. Bei Omas letztem Besuch hat sie beim Purzelbaumschlagen meine Lieblingstasse vom Tisch gewischt. Die war dann kaputt. Also lieber kein Papagei im Haus.

„Papperlapapp“, sagt Oma Lina. „Polly ist Reisen und Ausflüge gewohnt. Außerdem – wer soll sich um euer Essen kümmern?“

„Äh, McDonald‘s, Burger King, Kentucky Fried Chicken, der Pizzaservice. Und der Dönerimbiss.“ Tim grinst.

„Das könnte euch so passen.“ Oma durchbohrt uns mit ihrem Blick. „Ihr Kinder braucht eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse. Und ich bin berühmt für meinen Brokkoliauflauf und meine hausgemachten Spinatnudeln. Euer Vater hat die als Kind regelrecht verschlungen. Nix da, ich ziehe bei euch ein. Basta!“

„Oma hat recht“, sagt Mama. „Ich bekomme schon Bauchschmerzen, wenn ich nur McDonald‘s oder Burger King höre. Außerdem könnt ihr nicht allein bleiben, ich hätte sonst keine ruhige Minute. Wir nehmen dein Angebot gern an, Lina.“

Paps nickt ebenfalls. Oh Mann! Gegen eine solche Erwachsenenverschwörung sind Tim und ich machtlos. Drei gegen zwei. Glatt überstimmt. Diese Ferien werden ja immer schlimmer. Mama und Paps im Krankenhaus und eine pingelige Oma bei uns, die uns mit Vitaminen und ekligem Grüngemüse vollstopfen will. Ganz zu schweigen von ihrem Katastrophenpapagei!

Wenigstens kann es jetzt nicht mehr schlimmer werden, denke ich.

Oder etwa doch?

2. Schlimmer geht immer

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Zu erledigen:

- täglich Käfige und Katzenklos sauber machen

- Gassi gehen

- Tierfutter kaufen

- Tiere morgens und abends füttern (siehe Plan in der Futterküche, Vitamine für die Echse nicht vergessen!)

- Wassernäpfe füllen und Wasser 2x täglich wechseln

- Mopsi muss zum Hundefrisör

- Duschgel besorgen!

- Bad sauber machen (auch das Klo!)

Entsetzt schaue ich auf die Liste, die Mama mir diktiert hat. Das sieht nach ganz schön viel Arbeit aus. Vielleicht ist es doch nicht so verkehrt, dass Oma zu uns kommt. Die Arbeit mit den Tieren macht mir nichts aus, aber die Hausarbeit – püh! Klo putzen – doppel-püh! Ich kann mir echt Schöneres vorstellen.

Nachdem wir Mama und Paps auf ihre Zimmer gebracht haben, fahren wir nach Hause. Inzwischen ist es kurz nach eins und wir haben einen Bärenhunger. Wir beschließen, schnell zu essen und anschließend die Tiere zu versorgen. Tim hat die Gasthunde aus dem Tierhaus geholt. Kläffend springen sie um uns herum, bis auf Mopsi. Der braune Cockerspaniel ist eine echt faule Socke. Er legt sich mitten in die Küche und schaut uns schwanzwedelnd aus großen braunen Augen an.

Oma nimmt Eier und Milch für Eierkuchen aus dem Kühlschrank. Ich steige über Mopsi hinweg und hole das Mehl aus dem Schrank. Der schwarze Labrador Herr Meier folgt mir. Auch er hüpft über Mopsi hinweg. Tim versucht derweil Bleibda, den kleinen Foxterrier, zu bändigen, der wie ein Flummi an ihm hochspringt.

„Wollt ihr Äpfel oder Schinken dazu?“, fragt Oma.

„Äpfel“, sage ich und gebe ihr die Mehldose.

„Schinken“, ruft Tim.

„Gut, dann beides“, meint Oma fröhlich und macht sich ans Apfelschälen.

„Soll ich dir helfen?“, frage ich Oma und schaue Tim vorwurfsvoll an. Der hat Bleibda inzwischen abgeschüttelt und lümmelt sich mit einem Buch über Zauberkunststücke auf der Eckbank. Bleibda sitzt neben ihm und knabbert das Buch an.

„Ach, lass nur, Kind. Ich mach das schon.“

„Gut, dann wischen Tim und ich gleich mal die Eierflecken weg.“ Auffordernd sehe ich meinen Bruder an. „Na komm schon, du Super-Zauberer. Oma, wusstest du, dass Tim das Kunststück beherrscht, ein Ei in Eiermatsch zu verwandeln?“

„Ach, tatsächlich? Beim Kuchenbacken ist das ein sehr nützlicher Trick.“

„Da hörst du’s“, sagt Tim triumphierend.

„Ja, bloß dass mein Teppich keine Rührschüssel ist“, motze ich.

„Pfff“, macht Tim. Er steht auf und geht mit mürrischer Miene aus der Küche. Ich schließe die Küchentür fest hinter mir, damit die Hunde uns nicht nachlaufen, und steige hinter Tim die Treppe hinauf.

Das Ei auf meinem Teppich ist längst eingetrocknet, was die Sache nicht einfacher macht. Wir nehmen reichlich Seife und Teppichreiniger und versinken fast bis zu den Ellbogen im Schaum. Wir schrubben wie wild, trotzdem bleibt eine blassgelbe Stelle zurück. Schließlich geben wir auf.

„Wehe, du zauberst noch mal in meinem Zimmer“, sage ich zu Tim.

„Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst. Der Fleck ist ja kaum noch zu sehen.“

Mir liegt eine giftige Antwort auf der Zunge, aber Oma ruft zum Essen und ich schlucke die Worte runter. Innerhalb von Sekunden sitzen wir in der Küche auf der Eckbank.

Auf dem Tisch steht ein Riesenberg dampfender Eierkuchen. Ein letzter brutzelt noch in der Pfanne. „Oma, darf ich den wenden?“, ruft Tim und springt wieder auf.

„Wenn du magst“, sagt Oma und drückt ihm die Pfanne in die Hand.

„Haha, das ist eine meiner leichtesten Übungen“, prahlt Tim. „Passt auf. Wie die Köche im Fernsehen …“ Er schwenkt die Pfanne mit einem heftigen Ruck nach oben. Der Eierkuchen fliegt hoch und … bleibt an der Decke kleben.

„Hups, da hab ich wohl zu viel Schwung gehabt“, sagt Tim bedröppelt.

Ich grinse schadenfroh. Tim hat wohl heute auch einen Pechtag. Dann macht es platsch! Der Eierkuchen fällt herunter – direkt auf Tims Kopf.

Ich pruste los.

„Schöne Mütze hast du da.“ Oma lacht ebenfalls. „Ein ganz neuer Modestil.“

„Haha. Guter Witz. Ich lache morgen drüber“, sagt Tim angesäuert. Er nimmt den Eierkuchen von seinem Kopf und stopft ihn sich in den Mund. „Hm, lecker!“

„Iih!“, rufe ich. „Den kannst du doch nicht mehr essen. Der war auf deinem Kopf.“

„Na und? Davon wird er doch nicht schlecht. Außerdem habe ich mir die Haare erst gestern gewaschen.“ Tim lässt sich neben mir auf die Eckbank plumpsen und schnappt sich gleich den nächsten Eierkuchen. Schnell greife ich zu, bevor mir mein verfressener Bruder alles wegmampft.

„Die schin wirklisch klasche, Oma“, sagt Tim mit vollem Mund. Ich nicke kräftig und Oma strahlt übers ganze Gesicht.

Gerade will ich mir den letzten Eierkuchen nehmen, da springt Mopsi erst auf die Bank, dann auf den Tisch und klaut ihn mir vor der Nase weg.

„He, du verfressener Kerl!“, rufe ich. „Gib den wieder her.“ Mopsi schüttelt den Kopf. Dabei schlackern seine langen Ohren im Takt mit dem Eierkuchen. Ich greife danach, doch Mopsi lässt nicht locker. Er geht vorne in die Knie, zieht nach hinten und reißt mir den Eierkuchen aus der Hand. Die Gläser klirren, als der Hund vom Tisch springt und aus dem Zimmer flitzt. Kaum zu glauben, wie schnell der sein kann, wenn’s ums Fressen geht.

„Och menno, das war der letzte.“ Ich ziehe eine Schnute.

„Hier, kannst die Hälfte von meinem haben.“ Tim schiebt mir seinen Teller rüber. Na, das Angebot nehme ich doch gerne an.

Nach dem Essen packt Oma Zahnbürsten, Waschzeug, Schlafanzüge und Mopsi ins Auto, um zum Krankenhaus und anschließend zum Hundefriseur zu düsen. Auf dem Rückweg will sie ihren Papagei und ihre Müllkunst bei sich zu Hause holen.

„Ich geh mit den Hunden kurz raus.“ Tim springt schwungvoll auf.

„Willst du dir nicht erst die Haare waschen? Die sind bestimmt ganz fettig von dem Eierkuchen.“

Tim strubbelt sich prüfend durch die Haare. „Ach was, das geht schon.“

Typisch mein Bruder. Ich verdrehe die Augen. Aber so leicht lasse ich ihn nicht davonkommen. „Kannst du mir nicht erst mit den Katzenklos helfen? Als Wiedergutmachung für den Eierfleck auf meinem Teppich.“

„Klar, träum weiter“, meint er nur. Dann ist er auch schon aus der Tür.

Grmpf. Hätte ich mir ja denken können. Na ja, einen Versuch war es wert. Und etwas Gutes hat es auch, dass ich nicht mit den Hunden rausmuss: Mir bleiben die komischen Blicke der Spaziergänger erspart. Ist ja kein Wunder, dass die Leute denken, wir hätten einen an der Waffel, wenn wir mitten im Park stehen und rufen: „Komm her, Bleibda!“ oder „Mach endlich Kacka, Herr Meier.“ Ts, Tiernamen gibt’s. Bei uns in der Pension war auch mal ein Golden Retriever namens Taxi zu Gast. Es war echt peinlich, wenn ich auf der Wiese stand und „Taxi“ rief.

Andererseits: Jetzt finde ich’s lustig. Grinsend hänge ich mir meine Kamera um den Hals – eine angehende Tierfotografin sollte stets für Schnappschüsse gerüstet sein – und laufe die paar Schritte zum Stall. Dort packe ich mir einen Ballen Heu unter den Arm und weiter geht’s zum Tierhaus.

In unserer Tierpension ist in diesen Ferien viel los. Wir haben zwei Meerschweinchen, vier Kaninchen, drei Hunde, fünf Katzen und sogar eine Bartagame zu Gast. Das ist eine kleine Echse, die aussieht wie ein Mini-Drache. Die Hunde, Katzen und Kleintiere haben jeweils ihre eigenen Zimmer. In den Zimmern sieht es ein bisschen aus wie im Dschungel. Die Wände sind hellgrün gestrichen und mit großen Bäumen bemalt. Jeder Hund hat sein eigenes Körbchen und Spielzeug. Die Katzen haben Stoffmäuse und Bälle zum Spielen und außerdem noch Kratzbäume und Kuschelhöhlen. An einer Seite ihres großen Zimmers steht ein Aquarium, das Mama „Katzenkino“ nennt. Durch eine Klappe können die Katzen und Hunde in ihre umzäunten Außengehege.

Ich summe leise vor mich hin, während ich die Wasser- und Futternäpfe auffülle. Die Katzen kommen sofort angerannt und stürzen sich auf das Futter. Pablo, der schwarz-braun-gestreifte Kater, reibt sich schnurrend an meinen Beinen. Ich kraule ihn zwischen den Ohren. Das mag er besonders gerne. Dann sind die Kaninchen dran. Im Kaninchenzimmer steht auch das Terrarium der Bartagame. Es ist ein bisschen aufwendig, sie mit ihrem Kribbelkrabbelfutter und Obst zu füttern. Ich bestäube die Grillen mit Vitaminpulver und passe höllisch auf, dass sie mir nicht entwischen. Dann lege ich noch geraspelten Apfel dazu. Zarapp – unglaublich schnell schießt Barty vor und schnappt sich sein Festmahl.

Nachdem die Kaninchen friedlich ihre Möhren mümmeln und an Salatblättern zupfen, mache ich mich auf den Weg zu den Meerschweinchen.

Die beiden haben ihr eigenes Gehege im Garten. Darauf hat ihre Besitzerin Frau Zicklinski bestanden, weil die Meerschweinchen angeblich so wertvoll sind und aus der Züchtung eines echten Fürsten stammen. Vielleicht klingen ihre Namen deshalb so adlig. Sie heißen Lady Annabel zu Dill-Hohenstein und Sir Archibald von Pepperoninski. Ja, wirklich! Prust! Ich finde diese Namen für zwei so süße, strubbelige Angorameerschweinchen viel zu umständlich. Deshalb nenne ich sie Bel und Pepper. Wie bell pepper, was Englisch ist und Paprika bedeutet. Das passt, denn Paprika ist ihr Lieblingsfutter.

Pepper ist ganz schwarz und Bel schokoladenbraun mit einem weißen flauschigen Streifen. Sie können Männchen machen, sich im Kreis drehen und Futter unter einem Becher hervorholen. Ich darf gar nicht dran denken, dass sie die Tierpension in drei Tagen wieder verlassen, wenn Frau Zicklinski zurückkommt. Zu schade, dass mir Mama kein eigenes Tier erlaubt. Sie sagt, wir hätten genug Gasttiere.

Ich schnappe mir Besen und Schaufel und mache mich ans Ausmisten. Pepper läuft mir dabei ständig um die Füße. Ich muss ganz schön aufpassen, dass ich ihn nicht wegkehre. Bel beobachtet mich aus sicherer Entfernung. Pepper hat bald die Nase voll vom Besen, er tippelt auf Bel zu und wackelt mit dem Hinterteil. Dann tänzelt er um sie herum und brummelt vor sich hin, als würde er ihr etwas vorsingen. Pepper, der Superstar. Ihm fehlt nur noch das Mikro. Grinsend zücke ich die Kamera und drücke ab. Das gibt bestimmt ein prima Foto.

Als der Käfig sauber ist, verteile ich frisches Heu. Es duftet herrlich nach Sommer. Dann fülle ich die Trinkflaschen mit frischem Wasser und gebe die Kräutermischung in den Futternapf. Zum Schluss halte ich noch jedem ein Stück Möhre vor die Nase. Pepper mampft sofort los. Bel schnuppert ausgiebig, rümpft die Nase und zieht sich in ihr Häuschen zurück. „Dann eben nicht“, sage ich. Pepper macht sich auch noch über die andere Möhre her. Ich streichele sanft über sein Fell. Das fühlt sich wunderbar weich an. Als ich nach der Bürste greife, um sein Fell zu kämmen, höre ich plötzlich Gebrüll.

„Tessa, wo bist du? Hilf mir mal! Bleibda ist mir ausgebüxt!“

Im gleichen Augenblick sehe ich Bleibda mit einer Schaumkrone auf dem Kopf durch den Garten flitzen. Der kleine Foxterrier ist wohl wieder mal aus der Badewanne entwischt. Tim rennt mit einem Schwamm in der Hand hinter ihm her. Er ist von Kopf bis Fuß platschnass. Ich greife zur Kamera.

„Wehe, du machst jetzt ein Foto!“, ruft Tim keuchend und bleibt stehen, um nach Luft zu schnappen. Ich überlege kurz, dann lasse ich die Kamera sinken. Denn der kleine Stinker – also Bleibda – rennt im Terriergalopp auf die Blumenbeete zu. Oh nein, nicht schon wieder! Letztes Mal hat er Mamas Hortensien umgenietet, die Ringelblumen plattgetrampelt und Löcher ins Gemüsebeet gebuddelt. Es war viel Arbeit, das wieder in Ordnung zu bringen. „Wo sind die anderen?“, rufe ich Tim zu.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2015
ISBN (ePUB)
9783955950521
ISBN (Paperback)
9783955950538
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
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Titel: Tessa und Tim: Meerschwein gehabt