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Bruno, der Lustgreis

Mobbing in der Waldsiedlung

©2015 54 Seiten

Zusammenfassung

Bruno, ein rüstiger Bergbaurentner, erbt ein Siedlungshaus. Die anfängliche Freundlichkeit seiner Nacbarinnen verwandelt sich in Feindschaft, als er einige heiratswütige Witwen oder habgierige Verwandte abblitzen lässt. Um solchen Anäherungsversuchen zu entgehen, vermietet er an Studentinnen, was ihm den Ruf eines sexbesessen Lustgreises einbringt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum

Ein Schatten der Vergangenheit

Als er nach einer ausgedehnten Wanderung mit anschließendem Kneipengang heimkehrte, traute er seinen Augen nicht: Vor der Haustür erwartete ihn seine Schwägerin. Nach dem Tod seines Bruders vor zwölf Jahren war er mit der äußerst streitsüchtigen Frau uneins. Und nun stand diese Xanthippe, groß und hager, die Arme in die Hüften gestemmt, neben dem Rosentor und blickte ihm herausfordernd entgegen. ‚Woher das Luder nur weiß, dass ich hier wohne?‘, grübelte er.

„Mit mir hast du sicher nicht gerechnet?“, empfing sie ihn mit schriller Stimme.

Bruno lächelte schief. „In einem Freudenjubel werde ich nicht gerade ausbrechen! Aber wenn du nun schon mal da bist, dann komm rein!“

„Ich hab dir Äpfel mitgebracht. Die hast du doch immer gern gegessen!“

Bruno musterte skeptisch den riesigen Beutel. „Aber nicht zentnerweise, Elvira!“, brummte er. „Vermutlich hast du dir nicht nur deshalb den weiten Weg gemacht?

„Ich wollte mal sehen, ob es dir gut geht? Außerdem möchte ich dir einen Vorschlag machen.“

‚Was kommt jetzt!‘, dachte Bruno, bemüht ein Grinsen zu unterdrücken.

Um Zeit zu gewinnen, schob Elvira bedächtig eine graue Haarsträhne von der Stirn, während Bruno sie abwartend anblickte. Schließlich sagte sie: „Sieh mal, wir sind beide älter und ruhiger geworden. Warum tun wir uns nicht zusammen? Du hast hier so viel Platz und ich könnte Kerstin meine Wohnung überlassen. Vielleicht kannst du auch irgendwann nicht mehr, dann könnte ich mich um dich kümmern.“

Bruno nickte tiefsinnig. „So wie in den zurückliegenden zehn Jahren? Wofür ich dir übrigens noch heute dankbar bin, das du mich mit deiner Anwesenheit verschont hast. Bei uns beiden stimmt eben die Chemie nicht, Elvira! Und dabei wollen wir es belassen. Wenn ich nicht mehr allein zurechtkomme, findet sich schon eine Lösung. Außerdem habe ich mir noch viel vorgenommen und eigentlich gar keine Zeit für derartige Gedanken.“

Elvira wollte aufbrausen, doch dann besann sie sich und erzählte von ihren Enkeln und Urenkeln, wohl wissend, dass Kinder Brunos schwache Stelle waren. Doch der war auf der Hut und machte ihr keinerlei Zugeständnisse.

Schließlich trank sie mit versteinerten Gesicht ihre Kaffeetasse leer, quetschte ein „Tschüss“ hervor und zog energisch die Haustür zu.

Bruno massierte nachdenklich seine rechte Augenbraue: ‚Hoffentlich tauchen nicht noch mehr solche Erbschleicher auf!‘, dachte er. ‚So eine Fürsorge aus Berechnung kann mitunter ziemlich anstrengend sein!‘

Am nächsten Morgen stolperte er über den Beutel mit den Äpfeln und konnte nur mit Mühe einen Sturz verhindern.

„Ein Knochenbruch hätte mir gerade noch gefehlt!“, murmelte er wütend, während er den Beutel wieder aufrichtete und sich die Äpfel besah. Sie waren zwar nicht Güteklasse I, aber immerhin genießbar. Er wählte 6 Stück für sich aus und lief mit dem Beutel in der Hand zum Nebenhaus.

Die Nachbarin verzog ihre dick geschminkten Lippen zu einem falschen

Lächeln und säuselte: „Oh – ich bin entzückt! Aber bitte kommen Sie doch herein!“

Bruno schüttelte lächelnd den Kopf und zeigte auf den Beutel. „Meine Schwägerin hat die gestern gebracht, aber allein schaffe ich sie nicht!“

„Vielen, vielen Dank! Bei Gelegenheit werde ich mich revanchieren! – Das war wohl die schlanke Dame, die ihr Haus so eingehend begutachtet hat. Zufällig habe ich sie bemerkt, als ich auf der Terrasse saß.“

‚Ein bisschen Neugier wird wohl in dem Zufall auch gesteckt haben‘, dachte Bruno und zuckte leicht mit den Schultern: „Vielleicht hat ihr das Haus gefallen?“

Die schwarze Lisa (so lautete der Spitzname der Nachbarin) war in der Siedlung nicht das einzige weibliche Wesen, das sich um Bruno bemühte. Schon am folgenden Tag ertappte er die Witwe von einem Fahrschullehrer und eine ehemalige Unterstufenlehrerin dabei, wie sie die spärlichen Rosen vor seinem Haus bewunderten und dabei höchst auffällig die Fenster absuchten. Lebten hier denn nur heiratstolle Witwen? Als schließlich immer mehr weit entfernte Verwandte ihre Besuche ankündigten, wurde ihm die Sache allmählich zu bunt.

„Denen geht’s doch bloß um das Haus und meine Bergmannsrente“, murmelte er grinsend. „Aber ich werde allen einen Strich durch ihre Rechnung machen!“

Er nahm sich vor, die zwei leeren Zimmer im Obergeschoss zu möblieren und an Studentinnen zu vermieten. Erst vor ein paar Tagen war ihm in der Zeitung eine ganze Seite diesbezüglicher Suchanzeigen aufgefallen. Zwar schien bei Studenten die Innenstadt begehrter zu sein, aber bis zur Siedlung fuhr schließlich eine Straßenbahn.

Als ein paar Tage später wieder ein Möbelwagen vor Brunos Haus hielt, gab es zwar kein Inventar zu begutachten, weil alle Einzelteile in grauer Wellpappe verpackt waren, aber die üblichen Zaungäste.

Als die schwarze Lisa ihre Neugier nicht mehr zügeln konnte, kam sie mit einer Freundin im Gefolge zu Bruno und brachte ihm eine Einladung zu einem Chorkonzert. Während sie ihm die Vorzüge des Frauenchors schilderte, versuchte sie den Inhalt der grauen Pakete zu erraten.

Ihre Begleiterin hatte viel zu große Ohrringe und die Lidschatten erinnerten Bruno an einen Pavian.

Ihre pinkfarbene Bluse mit riesigem Ausschnitt war mindestens zwei Nummern zu eng.

„Haben Sie sich schon eingelebt?“, fragte sie wie nebenbei.

Bruno nickte. „Es gefällt mir hier am Waldrand, obwohl die Stadt auch ihre Vorteile hatte.“

„Ja, ja – wem sagen Sie das! Als wir hier hergezogen sind, ist mein Mann kurz nach dem Richtfest gestorben. Seit dem lebe ich allein. Das werden nun im Herbst zehn Jahre. Anfangs boten mir öfters Männer ihre Hilfe an. Aber die meisten waren sehr primitiv oder sie erwarteten, dass ich sie freihalte. Zwar besuche ich mit Lisa öfters Kulturveranstaltungen und lese anspruchsvolle Literatur, aber manchmal wünschte ich mir einen humorvollen männlichen Begleiter.“

„Vielleicht kommt bald der richtige“, antwortete Bruno und lächelte verbindlich.

„Ob sich zu Liane ein Prinz auf einem weißen Pferd verirrt, ist noch ungewiss!“, antwortete Freundin Lisa leicht giftig.

„Die Hoffnung stirbt immer zuletzt, meine Damen!“, warf Bruno ein. „Sie sind doch beide noch in der Blüte ihrer Jahre – dagegen bin ich wahrlich ein alter Knacker! Aber jetzt muss ich mich erstmal um meine neuen Möbel kümmern.“

Die Logierzimmer

Die modernen hellen Betten und Schränke nahmen sich gut aus in den Räumen im Obergeschoss. Bruno war gespannt, was seine künftigen Mieterinnen dazu sagen würden?

An diesem Nachmittag fuhr er mit der Straßenbahn in die City und gab folgende Annonce für die Wochenzeitung auf: „Zwei möblierte Zimmer an Studentinnen kostengünstig zu vermieten. Zu besichtigen am Montag, d. 5. September, in der Waldsiedlung 14, bei Bruno Vergas.“

Anschließend suchte er ein Geschäft für Raumgestaltung auf, wo er Gardinen und Vorhänge bestellte sowie Decken und Kopfkissen kaufte.

Mit sich selbst zufrieden kehrte er in seiner alten Stammkneipe ein und bestellte einen Schoppen Spätburgunder.

Plötzlich stand Gerd an seinem Tisch und starrte ihn ungläubig an: „Mensch Bruno, bist du’s wirklich? Das ist ja eine Ewigkeit her, dass wir uns gesehen haben. Ich dachte schon, du…“

„Ich lebe noch!“. Bruno grinste. „Soweit ist es noch nicht. Allerdings wohne ich jetzt in der Waldsiedlung, weil ich dort ein Haus geerbt habe.“

„Allein? Kommst du denn da zurecht?“

„Warum denn nicht? Bis jetzt ging’s doch auch.“

„Aber du wirst doch nicht jünger!“

„Prost!“ Bruno hob sein Glas und prostete seinem langjährigen Freund zu. „Darum will ich zwei Zimmer an Studentinnen vermieten.“

„An Studentinnen?“ Gerd vergaß den Mund zu schließen. „Weißt du auch, was du da tust? Es gibt doch so viele nette, alleinstehende Witwen – das wäre doch eher was für dich!“

„Hm“, Bruno schüttelte den Kopf. „Mit einem Schoßhündchen und einem Rattenschwanz Verwandtschaft – nicht mit mir!“

„Manche, die studieren, sollen auf den Strich gehen, um das Studium zu finanzieren“, gab Gerd zu bedenken. „Wenn du aus deinem Haus einen Puff machst, bist du in der Siedlung abgestempelt!“

„Na nun mach mal langsam.“ Bruno leerte sein Glas und sah sich nach der Kellnerin um. „Abgestempelt bin ich schon jetzt, weil ich eine Witwe nach der anderen habe abblitzen lassen. Außerdem will ich kein Bordell aufmachen, sondern zwei Zimmer vermieten.“

„Ach, was soll’s. Ein Sturkopf warst du schon immer!“, antwortete Gerd. „Die zwei Wein gehen auf meine Rechnung!“, wandte er sich an die Kellnerin.

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Den folgenden Vormittag verbrachte Bruno bei einer Augenärztin. Nach der Vorsorgeuntersuchung träufelte ihm eine resolute Schwester Augentropfen auf die Bindehaut, welche nach einigen Minuten sein Reaktionsvermögen beeinträchtigten. Als er endlich wieder verkehrstauglich war, aß er in einer Fleischerei Bockwurst mit Kartoffelsalat und lief durch den Stadtpark zur Siedlung. Er war so in die Farbenpracht der herbstlichen Ahornbäume vertieft, dass er die Menschenansammlung vor seinem Haus erst bemerkte, als er es fast erreicht hatte. Dort standen zwölf junge Mädchen, eine schöner als die andere. Natürlich waren alle der Zimmer wegen gekommen, aber mit so einem herzerfrischenden Andrang hatte er nicht im Entferntesten gerechnet! Doch dann wurde ihm unbehaglich zumute, denn leider musste er zehn der Schönen wieder wegschicken. Und wer die Wahl hat, hat nun mal die Qual! Hinzu kam, dass sich wieder sämtliche Witwen und andere Neugierige in der Nähe herumtrieben.

Als er zur Haustür ging, hörte er die schwarze Lisa zu ihrer Freundin Liane sagen: „Was will denn der alte Kerl mit den jungen Dingern?“

Die lachte nicht gerade damenhaft und antwortete: „Solche machen doch jede Sex-Orgie mit. Hauptsache, sie werden ordentlich dafür bezahlt!“

Bruno hatte zwei Studentinnen ausgewählt und dabei vermieden, in die enttäuschten Gesichter der anderen zu blicken.

Die kleinere, eine Medizinstudentin, schien kein Kind von Traurigkeit zu sein. Wenn sie lachte, bekam sie neckische Grübchen. Die andere – sie studierte Jura – machte einen ernsten Eindruck und irgendetwas schien sie zu bedrücken.

Als Bruno ihnen die Zimmer zeigte, bekam die Medizinstudentin runde Augen und hielt die hohle Hand vor dem Mund.

„Das sind ja alles neue Möbel!“, rief sie aus. „So was können wir uns bestimmt nicht leisten.“

„Wie viel wollt ihr denn freiwillig zahlen?“ fragte Bruno, lächelnd.

Die beiden sahen sich an und die angehende Juristin antworte schließlich: „Wir hatten so an die 100 Euro gedacht, aber mehr…“ Sie brach abrupt ab und hob die Schultern.

„Meinst du für eins oder für beide Zimmer?“ Bruno blickte sie aufmerksam an. „Nun gut – also für beide!“ – Aber dafür verratet ihr mir eure Vornamen.“

Die Medizinstudentin hatte sich zuerst gefasst: „Ich bin die Carolin“, sagte sie und zeigte ihre Grübchen.

„Und ich Stefanie“, stellte sich die andere vor und musterte erneut die neuen hellen Möbel. „Kann ich heute schon einziehen?“, fragte sie und hielt Bruno einen 50 Euroschein hin.

„Langsam, langsam!“, antwortete der und lächelte. „Erst muss ich mal mein Büro öffnen!“

Als er den Geldschein in seine Hemdtasche steckte, fiel ihm auf, dass Carolin hektisch in ihrem Portmonee kramte.

„Ich kann heute noch nicht zahlen“, sagte sie schließlich kleinlaut. Ihr Gesicht glühte und sie zupfte nervös an ihrer Bluse.

„Habe ich das verlangt?“ Vorwurfsvoll schüttelte Bruno den Kopf. „Du kannst trotzdem heute einziehen, wenn du willst!“

„Geht es auch morgen Nachmittag?“

Bruno zuckte mit den Schultern. „ Nur musst du dann einen Schlüssel mitnehmen, weil ich zu meiner Stammtischrunde gehe.“

Neugier

Auf dem Weg am Schützenhaus lag eine dicke Schicht Herbstlaub.

Das Rascheln der dürren Blätter hatte Bruno schon als Schuljunge begeistert. Noch heute ertappte er sich mitunter dabei, durch einen Haufen bunter Blätter zu waten oder – wie soeben – eine Kastanie an den Wegrand zu kicken.

„Je oller, je toller!“, rief sein ehemaliger Kollege Helmut, der ihn lächelnd beobachtet hatte. „Sind die beiden scharfen Mädchen eigentlich mit dir verwandt?“, fragte er nach der Begrüßung.

„Nun tu nicht so!“ Bruno, der ihn durchschaut hatte, grinste. „Das sind meine Mieterinnen, zwei Studentinnen.“

Helmut nickte. „In der Siedlung wird kaum über etwas anderes geredet. Vor allem unsere liebestollen Witwen stellen die abenteuerlichsten Vermutungen an. Wie viel knöpfst du den beiden eigentlich ab?“

„Neugierig bist du überhaupt nicht! – Die zahlen, was sie können. Und wenn sie mal knapp bei Kasse sind, dann findet sich auch eine Lösung.“

„Und wie kommst du sonst mit den beiden zurecht?“ Helmuts helle Augen hingen förmlich an Brunos Lippen.

„Im Bett habe ich noch keine von ihnen gehabt?“ Bruno blickte zu einem Buntspecht, der an einem Birkenstamm hinaufkletterte. „Das wolltest du doch sicher wissen?“

Helmut verzog das Gesicht. „Ohne Grund wirst du sie schon nicht halb umsonst bei dir wohnen lassen?“

„Da gebe ich dir Recht – aber du darfst es nicht weiter erzählen.“

Kopfschüttelnd blickte Helmut ihm nach.

Auf der Bank vor der Haustür saß Stefanie und starrte vor sich hin. Als sie Bruno bemerkte, versuchte sie zu lächeln, doch das wollte nicht so recht gelingen. Irgendwie sah sie leidend aus.

„Fehlt dir was?“, fragte er besorgt.

„Eigentlich fehlt mir nichts“, antwortete sie und hob resigniert die Schultern. „Eher ist etwas zu viel da!“

Bruno blickte sie verständnislos an und kratzte sich hinterm Ohr. „Das begreife, wer will?“

Wieder versuchte sie zu lächeln und flüsterte: „Ich bin schwanger.“

„Und nun möchte er mit hier wohnen?“, mutmaßte Bruno, der schon über den Umbau des Zimmers nachdachte.

„Dieser Er ist auf und davon!“ Stefanies Antwort klang bitter und verstohlen fuhr sie mit dem Handrücken über die Augen. „Ich bin sozusagen ein gefallenes Mädchen.“

„Aber Steffi, so darfst du doch nicht denken!“ Bruno bückte sich und strich ihr mit einer zärtlichen Geste über den Kopf. – Einen Augenblick später knallte seine Nachbarin wütend das Fenster zu.

Bei Musik und Tanz

Die Bürgerversammlung fand in der Siedlungsgaststätte statt. Als Bruno mit den beiden Studentinnen in den Saal kam, wurden alle drei kritisch gemustert. Vor allem die Mädchen mussten abweisende Blicke der Frauen und begehrliche der Männer über sich ergehen lassen.

Bruno steuerte zu einem Tisch, wo ein Künstlerehepaar saß. Die Frau, eine Musikerin so um die vierzig, war ziemlich klein und hatte leuchtend grüne Augen. Der Mann, ein regional bekannter Kunstmaler, rückte für Brunos Begleiterinnen die Stühle zurecht und fragte ihn schließlich, ob er sich schon eingelebt habe.

„Die Nachbarschaft ist etwas gewöhnungsbedürftig“, Bruno massierte seinen Nacken, „besonders die weibliche.“

„Es wird viel getratscht hier“, mischte sich die Frau ein. Sie hatte eine dunkle, leicht heisere Stimme. „Ein alleinstehender Senior mit zwei reizenden jungen Damen, das ist für viele ein willkommener Gesprächsstoff!“

„Der mitunter in den Rufmord mündet!“, warf ihr Mann ein und wandte sich an Bruno: „Kürzlich habe ich gehört, wie eine Mutter zu ihrer pubertierenden Tochter sagte, sie solle Ihnen ja nicht zu nahe kommen und erst recht keine schönen Augen machen.“

Bruno grinste. „Also bin ich ein siedlungsbekannter Lustgreis! Allerdings kann ich das gar nicht lustig finden.“

„Stecken Sie es einfach weg!“, meinte die Frau. „Mit der Zeit wird sich deren schmutzige Fantasie schon legen!“

„Wir können ja beide mal mit Bruno einen heißen Flirt veranstalten“, schlug Carolin vor und lächelte verschmitzt. „Dann kommen alle hier auf ihre Kosten!“

„Da vorn tut sich was!“, sagte der Maler. „Hören wir uns doch erstmal an, wie wir mit der neuen Abwassergebühr über den Tisch gezogen werden sollen?“

Wie immer, wenn es ums Geld ging, ging es hoch her. Am meisten regte sich ein reicher, adliger Waldbesitzer auf, der wegen eines kleinen Stücks Wanderweg schon jahrelang mit der Stadt prozessierte.

Nach dieser heißen Diskussion bauten ein Akkordeonspieler und ein Gittarist ihre Notenständer auf. Schon nach ihrer ersten Darbietung beruhigten sich die Gemüter. Als gar der Gitarrist mit einschmeichelnder Stimme „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ sang und zum Tanz aufforderte, war alle Aufregung vergessen. Carolin und Stefanie waren die begehrtesten Tanzpartnerinnen, was ihnen wütende Blicke mancher Ehefrau oder Witwe einbrachte.

Am Kaffeetisch

Sonntags machte Bruno gern auf Familie. Dann saßen alle drei in der gemütlichen Küche bei Kaffee und Kuchen.

„Ihr seht noch ziemlich müde aus?“, empfing er am Morgen nach der Versammlung lächelnd seine beiden Mieterinnen und blickte gespielt vorwurfsvoll auf die Uhr. „Soviel habt ihr doch gar nicht getrunken?“

„Es reichte!“, antwortete Stefanie und gähnte herzhaft.

„Du warst gestern auch nicht so richtig auf dem Posten?“, wandte sich Carolin an Bruno, während sie Kaffee einschenkte. „Manchmal hast du das Gesicht verzogen, als ob du Schmerzen hättest?“

„Du wirst bestimmt mal eine gute Ärztin!“ Bruno nickte anerkennend. „Das war meine alte Operationsnarbe, die mich mitunter quält.“

„Wo ist die denn? Vielleicht kann ich dir helfen?“ In Carolins Gesicht rangen Mitgefühl und ärztliche Neugier miteinander.

„Weißt du“, – Bruno massierte seinen Nacken – „das ist an einer Stelle, die man jungen Mädchen nicht so gern zeigt!“

„Na, Bruno, nun hör schon auf mit der Ziererei! Woran bist du denn nun operiert worden?

„An der Prostata.“

„Krebs oder gutartig?“, fragte Carolin sachlich.

„Gutartig.“ Brunos Hand fuhr wieder über den Nacken. „Aber das Ding war 144 Kubikzentimeter groß!“

„Na also!“ Carolin zeigte ihre Grübchen und nickte. „Hast du ein scharfes Rasiermesser?“

Bruno riss die Augen auf. „Willst du dort unten was schneiden? Ich meine…“

„Carolin ist gründlich!“, warf Stefanie ein. „Wenn die einmal dabei ist, kommt alles weg. Aber vielleicht überlebst du’s am Ende!“

„Auf so was kann bloß eine schwangere Rechtsverdreherin kommen!“, antwortete Carolin ungerührt. „Und nun komm Bruno, auf die Liege mit dir! Ich will dich rasieren.“

Bruno zog zögernd Hemd und Hose aus und legte sich mit sehr gemischten Gefühlen hin. Dann atmete er tief die würzige Herbstluft ein, welche nach Falllaub und Pilzen duftete und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Als Carolin das Messer ansetzte, um den Genitalbereich zu rasieren, zuckte er zusammen.

Die angehende Ärztin hatte wunderbar zarte Hände und wenn sie seinen Penis berührte, durchfuhr Bruno ein höchst angenehmer Schauer. Nach der Rasur rieb sie die Narbe mit Alkohol ab, klebte als Schutzverband ein Pflaster darüber und sagte: „Jetzt hast du’s überstanden!“

Bruno grinste sie an. „Von mir aus hätte das Stundenlang so weiter gehen können.“

„Bruno, Bruno!“ Carolin drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Die Narbe ist ein bisschen entzündet. Morgen bringe ich Puder mit.“

Als er sich aufrichtete, um seine Hose anzuziehen, wusste er nicht ob er laut fluchen oder lachen sollte: Sie hatten vergessen das Fenster zu schließen! Er bekam gerade noch mit, wie die Nachbarin ihre Gardine zurechtrückte.

„Die hat alles mit angesehen!“, sagte Carolin. „Da steht uns ja was bevor.“

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2015
ISBN (ePUB)
9783955950484
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Bergbaurentner Erbschaft Verwandte Studentinnen Witwen Nächstenliebe Freundschaft Einfühlungsvermögen Humor Witz Spannung Mobbing Vaterschaft Verleumdung
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Titel: Bruno, der Lustgreis