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Denn es war Sommer ... Geschichten rund um Sonne, Strand und Meer

Ein Schreibwettbewerb von bilandia.de

von V. Klostermann (Autor:in) H. Banaszak (Autor:in) S. Heichel (Autor:in) I. May (Autor:in) F. Cessair (Autor:in) J. Franz (Autor:in) S. Kuchler (Autor:in)
©2013 0 Seiten

Zusammenfassung

Denn es war Sommer …
Sieben Autoren haben beim Schreibwettbewerb »Meine schönste Sommergeschichte« des Buchportals bilandia.de ihr literarisches Talent erfolgreich unter Beweis gestellt und erzählen, was im Sommer 2012 so alles passieren konnte. Vom Reisebericht über den heißen Urlaubsflirt bis hin zur Liebesgeschichte lassen sie den Sommer für den Leser wieder aufleben. Ein Sammelband für alle mit Sonne im Herzen.
»So riecht nun also Paris. Nach Ruß, Schmutz und Schweiß, Croissants und druckfrischen Zeitungen, Hektik, langem Warten und Ankunft, aber vor allem riecht es verheißungsvoll nach Freiheit.« (Viola Klostermann)
»In der Bucht von Giniginamar plätscherten kleine Wellen unterhalb der Häuser, die unwahrscheinlich dicht am Strand standen, so dicht, als gäbe es hier keine Stürme, keine bedrohliche See.« (Harry Banaszak)

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Viola Klostermann

Les Photos du Paris

»Excusez-moi, madame!«, höre ich eine Stimme sagen.

Ein kleiner Mann mittleren Alters drängt sich an mir vorbei. Er öffnet breit lächelnd seine Arme und schließt die alte Schachtel, die mich während der sechsstündigen Fahrt mit ihrer Anwesenheit im Sitz neben mir beglückt hat, in seine Arme.

»Oh Maman, wie war deine Reise?«, erkundigt er sich betont freundlich.

»Na, diese Züge werden ja auch immer enger. Überhaupt ist das alles eine Zumutung. Eine Dame meines Alters sollte nicht so reisen müssen«, echauffiert die Schreckschraube sich. »Du hättest mir ruhig den Flug zahlen können.«

Er lässt die gemeinen Sticheleien lächelnd über sich ergehen und stemmt stattdessen mit erstaunlicher Leichtigkeit ihren großen Koffer.

 

Ich wende mich mit einem Anflug von Abscheu von dieser grotesken Herzlichkeit ab und atme tief ein.

So riecht nun also Paris. Nach Ruß, Schmutz und Schweiß, Croissants und druckfrischen Zeitungen, Hektik, langem Warten und Ankunft, aber vor allem riecht es verheißungsvoll nach Freiheit.

Es ist nicht die Freiheit, die man verspürt, wenn man ein leeres Blatt Papier vor sich hat.

Nein, es ist mehr, als erstreckte sich ein unendliches Gemälde voller Farben, Gerüche und Geräusche vor mir, und das Schicksal reicht mir schmunzelnd ein Glas mit Zukunft, das ich sorgfältig darauf verteilen darf.

Ein kleines Lächeln umspielt meine Lippen und ich mache mich beschwingt auf, denn im Gegensatz zur Schreckschraube habe ich nur eine Reisetasche bei mir, auf dem Weg zur Métro. Alles ist so anders hier und meine Laune verbessert sich von Minute zu Minute. Das hält sogar noch an, als ich das winzige Zimmer einer heruntergekommenen Pension in der Rue Boulard betrete - das schäbige Mobiliar kann nichts an meinem Lächeln ändern.

Ich werfe meine Sachen achtlos aufs Bett und lasse mich daneben fallen. Hier ist es zum ersten Mal seit über zehn Stunden still. Aber sehr lange halte ich die sanften Liebkosungen der Ruhe nicht aus.

Voller Tatendrang springe ich auf und beginne in meiner Tasche zu kramen. Besonders viel ist nicht darin, doch jedes Stück davon hat eine ganz besondere Bedeutung für mich. In dieser Hinsicht war ich wohl schon immer komisch. Während die anderen Mädels aus meiner Klasse sich mit Klamotten und Schmuck eindecken, bleibe ich lieber zu Hause und lese. Eigentlich entspreche ich sogar der Klischeebeschreibung eines Strebers. Aber das bin ich nicht. Nein, ich bin Mia. Einfach nur Mia.

Etwas Grünes hat sich in dem Kleiderknäuel nach oben geschoben. Es ist mein Lieblingstop. Ich streife es über, entledige mich meiner zerknitterten Reisejeans und wähle stattdessen einen kurzen Rock. Sommer in Paris. Genau so fühlt sich das auf der Haut an. Nach ein paar Minuten der planlosen Suche habe ich endlich auch meinen Kulturbeutel aus dem Chaos geangelt und mache mich auf in das winzige Kämmerchen, das sich Badezimmer nennt.

Aus dem fleckigen Spiegel blickt mich ein kleines, zierliches Wesen an. Leuchtend grüne Augen, die vor Klugheit und Charme funkeln, wie meine Mama findet. Ich finde sie einfach nur nervtötend auffällig, genauso wie meine wilden Locken, die unzähmbar mein Gesicht umrahmen und dort munter vor sich hinwuchern.

Es ist nicht so, dass ich mich hässlich finde. Ich weiß auch, dass mir oft Jungs hinterher schauen, doch sie waren mir bisher alle egal. Alle bis auf einer.

Dieser eine ... na ja, ich bin hier, um das zu vergessen!

 

Ich strecke meinem Spiegelbild die Zunge heraus, spritze mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht und gehe zurück zum Bett. Dort werfe ich ein paar Dinge in meine bunte Umhängetasche und hole schließlich mein Heiligtum aus der Reisetasche. Es ist eine wirklich teure Spiegelreflexkamera, die ich zum letzten Zeugnis bekommen habe. Wie üblich war meine ganze Familie bei dem Anblick von ausschließlich Einsen in Ekstase geraten. Mir bedeutet das nichts. Ich lerne nicht, um gute Noten zu schreiben, sondern um die Welt zu verstehen. Dass es mir mehr als leicht fällt, ist dabei eine recht nützliche Gabe, aber doch keinen Applaus würdig.

 

Trotzdem ist die Kamera zu meinem wertvollsten Schatz geworden und Fotografieren meine glühendste Leidenschaft. Auf Fotos kann ich die Wirklichkeit in grausamer Schönheit unverfälscht einfangen, sie konservieren und zu Kunst machen. Zu meinem großen Erstaunen habe ich durch die Fotografie gelernt, dass nicht Schönheit ein Bild perfekt macht, es ist das Hässliche, Unvollkommene, das dir den Atem raubt. Vor allem Menschen zu fotografieren finde ich spannend und damit meine ich keine gestellten Porträts. Oft finde ich die Perfektion der Unvollkommenheit, wenn ich einfach nur die Menschen auf den Straßen betrachte und eher ziellos Momente einfange, die in ihrer Flüchtigkeit vorüberflattern, am spannendsten.

 

Meine Finger kribbeln schon bei dem Gedanken an die neue, aufregende Stadt und all die wundervollen Bilder, die nur darauf warten, erkannt zu werden. So verstaue ich auch mein

Heiligstes in der kunterbunten Umhängetasche und laufe leichten Fußes die Treppe hinunter.

Das Kopfsteinpflaster der Rue Boulard glänzt im Sonnenschein und die Menschen rennen geschäftig hin und her. Ich verweile kurz auf einem Wochenmarkt, der in einer kleinen Seitenstraße stattfindet, und erfreue mich an den feilschenden Händlern und tratschenden Hausfrauen, aber vor allem an der Ungezwungenheit der Szene. Auf eine seltsame Art und Weise gibt mir das Geschehen hier mehr Geborgenheit, als ich seit langem erfahren habe und ich muss mit den Tränen kämpfen.

Schließlich treibt es mich doch in die Innenstadt. Zwischen all den anderen Touristen flaniere ich auf der Champs-Élysées, bestaune den Arc de Triomphe, den Place de la Concorde und natürlich La Tour Eiffel. Entgegen meinen Erwartungen sind das keineswegs abgedroschene Klischees, sondern tiefergreifende Momente, die sich auf meinen Fotos widerspiegeln. Menschen, die lachen, mit großen Augen die Kunst im Louvre bestaunen und Souvenirs für die Daheimgebliebenen kaufen. Menschen, die mit einer so entwaffnenden Lebensfreude auf meinen Bildern strahlen, dass ich es kaum glauben kann.

Es kommt mir vor wie der wundervollste Traum meines Lebens und ich bete, dass ich niemals daraus aufwachen möge.

Als ich mich auf meinen Weg zum Sacré-Coeur mache, begegne ich einer Gruppe junger Menschen, die einfach so, mitten auf dem Platz vor der berühmten Basilika, einen Kreis um einen Gitarrenspieler gebildet haben und tanzend aus voller Kehle ein Loblied singen. Sofort drücke ich den Auslöser meiner Kamera, doch es ist schier unmöglich diese wundervolle Szene in all ihren schillernden Emotionen auf ein simples Foto zu bannen, und so bleibe ich einfach staunend stehen.

 

Die Zauber von Paris scheinen niemals enden zu wollen und so bemerke ich plötzlich, dass es zu dämmern begonnen hat. An einem kleinen Stand kaufe ich mir den schokoladigsten Crêpe, den Paris zu bieten hat und erst jetzt fällt mir auf, dass ich den ganzen Tag nichts gegessen habe und quasi vor Hunger sterben könnte.

Auf einer Mauer sitzend betrachte ich voller Melancholie, wie die Sonne über Paris untergeht. Dieser Moment könnte ewig währen, denke ich, als sich plötzlich eine Gestalt zu mir gesellt.

»Salut!«, grüßt mich eine samtige Stimme in singendem Französisch. Ich wende meinen Kopf und sehe einen hübschen, dunkelhäutigen jungen Mann neben mir auf der Mauer. Er hat lange Dreadlocks, in die bunte Perlen geflochten sind. Sein Gesicht ist voller Freude, seine Augen blitzen lustig und sein Mund ist zu einem breiten Grinsen verzogen. Er muss sehr trainiert sein, denn unter dem Stoff seines blauen T-Shirts zeichnen sich deutlich Muskeln ab.

Erst jetzt wird mir bewusst, wie offensichtlich ich diesen gutaussehenden Fremden anstarre,  schließe schnell meinen Mund und blicke wieder zur Sonne, die nun schon fast gänzlich untergegangen ist.

 

»Sprichst du nicht mit mir? Ich beiße bestimmt nicht.« Er lacht. Es ist ein Lachen, das die Sonne augenblicklich wieder aufgehen lässt und ich muss einfach mitlachen.

»Tut mir leid. Du hast mich ein bisschen erschreckt«, antworte ich kichernd.

»Wirklich? Nun, das ist aber auch ganz allein deine Schuld, wenn du so tief in deinen Gedanken versinkst.«

Ich wende mich ihm zu. Seine Augen mustern mich wachsam und mit großem Interesse, während er ganz entspannt im Schneidersitz auf der Mauer Platz genommen hat. »Ich heiße Jerôme. Ich wohne da unten. Wer bist du und aus welchem magischen Reich kommst du kleine, traurige Elfe?«

Die Wärme in seiner Stimme lässt mich schaudern.

»Scherzkeks. Ich bin ein ganz normales, langweiliges Mädchen aus dem langweiligen Deutschland mit dem langweiligen Namen Mia.«

»Ah, Mia. Es ist mir eine Freude«, sagt er und reicht mir seine Hand. Sie ist so groß und kräftig, dass die meine darin völlig verschwindet, doch er hält sie sanft und zart, wie ein junges Vögelchen. Mein Herz beginnt auf einmal wild zu klopfen, schnell ziehe ich meine Finger zurück.

»Erzähl mir, was dich traurig macht, kleine Elfe.«

Ich weiß nicht, was es ist, doch irgendetwas bringt mich dazu, Jerôme zu vertrauen.

»Ich habe mein Herz verschenkt und verloren. Jetzt bin ich auf der Suche nach dem Leben«, flüstere ich. Einen Moment schweigen wir beide und ich beobachte ihn aus dem Augenwinkel.

»Kann ich ein Foto von dir machen?«, platzt es da aus mir heraus. Jerôme nickt lächelnd.

»Du machst also Fotos? Ich hoffe keine langweiligen Touristenbilder, so wie ich?«, sagt er lachend und winkt mit einem Skizzenblock, auf dem er anscheinend Erinnerungsporträts für Touristen anfertigt.

»Nein, ich fotografiere das, was mich fasziniert«, antworte ich ebenfalls lächelnd.

»Das heißt also, dass ich dich fasziniere?«, flüstert Jerôme schelmisch und rückt ein ganzes Stück näher an mich heran. Ich werde rot und blicke zu Boden. Aber es ist wahr.

Eine ganze Weile bleiben wir so sitzen. Schließlich murmelt er: »Ich werde dir bei deiner Suche helfen, kleine Elfe.« In dem Moment verblassen die letzten Strahlen der Sonne und die Nacht breitet ihren zarten Mantel aus über Paris, der Stadt der Liebe.

Harry Banaszak

Die etwas andere Mentalität

Blauer konnte der Himmel nicht sein als in Giniginamar, und die Sonne nicht freundlicher, und das Meer überwältigender. Hans K. war Tourist und mit seinem Mietwagen auf Tour. Er hatte den Ort auf dieser Insel nur durch einen Zufall entdeckt.

Giniginamar lag am Ende der Straße zwischen zwei Höhen, ganz dicht am Wasser. Es gab kein Hotel, nur ein paar einfache weiße Häuser, ein paar Palmen und Büsche sowie eine Kirche. Ein Restaurant, wo es guten Fisch zu essen gab, und eine Bodega mit zwei Tischen vier Stühlen und einer riesigen Theke rundete das Ganze ab.

In der Bucht von Giniginamar plätscherten kleine Wellen unterhalb der Häuser, die unwahrscheinlich dicht  am Strand standen, so dicht,  als gäbe es hier keine Stürme, keine bedrohliche See. Auf dem kurzen Strand aus Kieselsteinen lagen zwei Fischerboote, daneben aufgetürmte Netze.

Dahinter, auf einem Stuhl, der auch schon mal bessere Zeiten gesehen hatte, saß Pedro, der Fischer des Ortes, und blinzelte entspannt in die Sonne.

Auch Hans K. genoss diesen Frieden, die Ruhe und blickte den weißen Möwen nach, die verspielt durch die Lüfte segelten. Er war Tourist, er durfte das, er machte Urlaub. Aber dass dort jemand verträumt rumsaß, der eigentlich als Fischer viel Geld verdienen könnte, das verstand er nicht.

»Hallo!«, sagte Hans K.

 »Hola«, antwortete Pedro, und er wusste sofort, dass er einen deutschen Urlauber vor sich hatte. Er  freute sich, mal wieder Deutsch sprechen zu können, denn hierher in dieses abgelegene Nest verirrten sich nur selten Urlauber.

Pedro, der früher auf deutschen Schiffen über die Weltmeere gesegelt war, hatte dabei nicht nur die englische, sondern auch die deutsche Sprache gelernt.

Er schob seine Mütze aus dem Gesicht, ließ seine lachenden Augen aufblitzen und fragte: »Na, wie gefällt das Wetter?« 

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783955950125
ISBN (Paperback)
9783955950132
DOI
10.3239/9783955950125
Dateigröße
642 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2013 (März)
Schlagworte
denn sommer geschichten sonne strand meer schreibwettbewerb

Autoren

  • H. Banaszak (Autor:in)

  • S. Heichel (Autor:in)

  • I. May (Autor:in)

  • F. Cessair (Autor:in)

  • J. Franz (Autor:in)

  • S. Kuchler (Autor:in)

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