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König Ludwig I. und Lola Montez

©2013 0 Seiten

Zusammenfassung

Am bayerischen Hof sind die Meinungen zu König Ludwig I. und der Tänzerin Lola Montez gespalten. Johann Hirsch-Müller lässt die Affäre des Bayern-Königs in diesem Theatertext noch einmal aufleben. The King's not amused – das Publikum umso mehr! "Vater König unser, der Du bist im weißblauen Königreich ein selt’ner Gast, geheiliget werde dein Name Ludwig als erstes in Italien und Sizilien, zu uns komme wer mag, nur bleib Du für immer in Griechenland. Führe uns nicht in Versuchung durch deine Theaterweiber und erlöse uns ganz besonders vom Übel deiner Person."

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Bild „Kann so viel Schönheit Natur sein?“

Arbeitszimmer des Königs. Der König, Lola, dazu Herr Frays und Prinzessin Alexandra.

 

KÖNIG: sieht Lola prüfend an 20 Jahre, sagten Sie? Lola nickt. Also so alt wie

meine jüngste Tochter Alexandra. Und mir scheint, genauso übermütig –

 

LOLA: Sire, ich bin von spanischem Geblüt und stamme aus Andalusien, und an der

Wiege wurde mir nicht gesungen, dass ich dereinst als Künstlerin in München landen

sollte.

 

KÖNIG: Ja, es ist mir berichtet worden, dass Sie …

 

LOLA: Ich bin eine Tänzerin von internationalem Rang. Einer meiner ersten Gänge

also war mein Besuch im Münchner Hoftheater.

 

KÖNIG: Auch darüber weiß ich Bescheid.

 

LOLA: Aber es gelang mir nicht, den Intendanten davon zu überzeugen, dass sein

Theater eher als Hühnerstall bezeichnet werden muss.

 

KÖNIG: Auch davon habe ich gehört.

 

LOLA: Majestät, ich bin aufgetreten in Paris, London, Petersburg, Warschau, Wien,

Berlin.

 

KÖNIG: Und in München hat man Sie abgelehnt.

 

LOLA: Nein, Majestät, ich habe abgelehnt, ich, Majestät, wissen Sie, was das heißt:

Ich, Lola Montez, sollte vortanzen, auf Spitze.

 

KÖNIG: Spitzenschuhe gehören zum Ballett – wie die Lederhosen zum Schäfflertanz.

 

LOLA: Spitzenschuhe! Pirouette, Menuett? Ballett? Das ist vorbei, tot, tot wie, wie

sagten Sie?

 

KÖNIG: Schäfflertanz.

 

LOLA: Nein, das andere.

 

KÖNIG: Lederhose.

 

LOLA: Ja richtig, tot, tot wie Lederhose. Sie deutet eine Mischung aus

„Schuhplattler“ und „Striptease“ an, merkt, dass sie zu weit gegangen ist Oh! Oh,

pardon.

 

KÖNIG: Bitte, bitte, bitte. Lassen Sie sich nicht stören.

 

LOLA: Ich bin sicher, Hoheit, dass keiner kann sagen, ich bin schlecht gewachsen.

Das kann mir niemand vorwerfen.

 

KÖNIG: Pardon, pardon! Im Gegenteil. Es tut mir sehr leid, aber hier steht – zeigt

auf den Bericht Wo ist denn bloß mein Glas? findet es und liest „Lieber würden wir

nichts sagen über Lola Montez. Sie hat nichts Andalusisches an sich, abgesehen von

ihren wundervollen dunklen Augen. Wo kommt sie eigentlich wirklich her? Das ist die

Frage. Sicherlich, sie hat zierliche Füße und sehr hübsche Beine, doch was deren

Gebrauch betrifft, so vermuten wir, dass Lola Montez auf einem Trottoir wohl eher

zu Hause ist, denn auf den Brettern, die die Welt bewegen.“

 

LOLA: Wer hat das geschrieben? Lola wirft aufgebracht Bücher, Papiere und

Schreibutensilien auf dem Schreibtisch durcheinander und ergreift das Papiermesser.

Fast scheint es, dass sie in ihrer Wut auf den König einstechen will.

 

KÖNIG: Moment mal, das sagt ein Kritiker aus Paris, nicht ich.

 

LOLA: Pardon, Majestät, habe ich richtig verstanden. Sagten Sie Kritiker? Ein

Schmutzfink sagt das, Majestät, kein Kritiker, ein verklemmtes Etwas, eine Kreatur

von einem schreibenden Schmierfink, ein Parasit, der, wenn es Frauen wie mich nicht

geben würde, an seinem Schreibtisch verhungern würde.

 

Der König betätigt die Klingel. Einer der Kammerdiener öffnet die Tür des

königlichen Arbeitszimmers.

 

KÖNIG: Der Hofintendant möge eintreten.

 

KAMMERDIENER: Sehr wohl, Majestät. Geht ab.

 

LOLA: aufgebracht Intendant? Dieser Kretin ist ein Intendant? Majestät, noch nie in

meinem Leben ist mir ein größerer Dummkopf begegnet.

 

KÖNIG: Señora, das sollten Sie besser für sich behalten. So was spricht sich herum,

in Bayern.

 

LOLA: Dieser Herr Friese …

 

Intendant Frays kommt herein.

 

oder wie dieser Herr heißen mag. Er hat sich schlecht benommen.

 

KÖNIG: Als Intendant ist das sein gutes Recht.

 

LOLA: Er besitzt keinerlei Kompetenz. Er weiß nicht, was das ist, Tanz. Er hält die

Drehung um die eigene Achse auf spitzen Schuhen für einen Tanz. Er hat keine

Ahnung, was das ist: Ausdruckstanz!

 

KÖNIG: Ich auch nicht.

 

LOLA: Sie müssen das nicht wissen, Sie sind König und kein Intendant.

 

KÖNIG: Interessieren tät’s mich aber schon. Was drücken Sie denn aus, mit Ihrem

Tanz?

 

LOLA: Sie müssen fragen, was drücke ich aus mit meinem Körper.

 

INTENDANT leise zu sich Unvermögen.

 

KÖNIG: zum Intendanten Haben Sie etwas gesagt? Herr Frays will antworten.

 

LOLA: Majestät, wie soll ich Ihnen das beschreiben. Stellen Sie sich vor, ich bin wie

Mutter Erde, vielleicht nicht ganz so rund, aber die Erde lebt uns vor, was das ist,

Leben, verstehen Sie, Majestät.

 

INTENDANT: Majestät. Wir suchen Gruppentänzerinnen und keine Erdkugeln.

 

KÖNIG: Das bleibt Ihnen unbenommen. Diese Frau hier ist keine Tänzerin. Sie ist ein

Ereignis.

 

Lola, die instinktiv heraushört, was der König mit „Ereignis“ meint, fängt an, sich

auf betörende Weise zu bewegen. Sie entledigt sich ihrer Kleidungsstücke bis auf ein

fleischfarbenes Trikot, wobei Musik einsetzt. Sie tanzt sich in einen Rausch. Mit der

Musik endet auch der Tanz. Langes Schweigen.

 

KÖNIG: Schön Gestalt hat groß Gewalt.

 

LOLA: Wie bitte, ich kann Sie nicht verstehen.

 

KÖNIG: Liebe Donna, ich bin in der glücklichen Lage, Herrn Frays zu bitten, Sie zu

engagieren. mit einer eindeutigen Handbewegung zu Herrn Frays Danke, Herr

Hofintendant.

 

Herr Frays geht wortlos ab.

 

KÖNIG: Nun?

 

LOLA: Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Ich wusste, Sie würden meine Kunst

verstehen.

 

KÖNIG: Erlauben Sie, Señora deutet mit einer anzüglichen Handbewegung auf Lolas

Brüste kann so viel Schönheit – Natur sein?

 

LOLA: Sie weicht zurück Sire! macht urplötzlich ihre Brüste frei.

Des Königs Tochter Alexandra platzt unangemeldet herein.

 

KÖNIG: peinlich berührt Alexandra, was fällt Dir ein! Habe ich Dich rufen lassen?

 

ALEXANDRA: Ich bitte um Verzeihung, mein allerliebster Vater, Majestät, Gott, ich

bin ganz durcheinander, ich wollte nur berichten: Maximilian ist eben angekommen

und hat den kleinen Ludwig dabei. Du musst ihm Audienz gewähren, sonst hört der

nicht mehr auf zu schreien.

 

Lola, inzwischen nicht mehr barbusig, lacht – nach dem Geschmack des Königs

ein wenig zu laut.

 

Lichtwechsel

Zwischenbild: „Ein tanzendes Weib ist eine zu gefährliche Versuchung.“

Intendant Frays.

 

INTENDANT FRAYS: Sehr verehrtes Publikum. Ein tanzendes Weib ist eine zu

gefährliche Versuchung, gegen die sich nicht einmal der heilige Augustin stark genug

fühlte. Tänzerinnen haben meistens mehr Glück als Sängerinnen. Was werden also die

Gesangsdrosseln dazu sagen, wenn die hier nackert herumhüpft! Und vor allem die

Lizius! Der König, unser gnädigster Herr, wäre gut beraten, sich mit ihr zu begnügen,

wenn er keinen Skandal riskieren möchte! Die Lizius-Koloraturen kosten ohnehin

genug Geld! Überhaupt, was brauchen wir bei uns in Bayern eine andalusische

Tänzerin? Was brauchen wir bei uns in Bayern diese Ausländerei? Mit diesen fremden

Sitten. Deutet mit einer Handbewegung die wohlgeformten Brüste Lolas an Wie heißt

es bei uns in Bayern doch so treffend: „Was der Bauer nicht kennt, des frisst er net.“

Achselzucken, Verbeugung Imbezile!

 

Lichtwechsel

2. Bild „Man soll den Teufel nicht an die Wand malen!“

Arbeitszimmer des Königs. König und Lola.

 

KÖNIG: Stieler wird Sie malen, das schönste und größte Porträt.

 

LOLA: Man soll den Teufel nicht an die Wand malen!

 

KÖNIG: Wenn Ihr Bildnis teuflisch sein soll, so wechsle ich die Religion.

 

LOLA: kokett Bedenken Sie, dass Sie ein König sind. Die Missachtung der Religion

führt zur Missachtung der königlichen Pflichten.

 

KÖNIG: Ich wäre pflichtvergessen, würde ich das Schöne übersehen.

 

LOLA: Das Schöne ist weniger, was man sieht, als das, was man träumt.

 

KÖNIG: Halten Sie mich für einen Träumer?

 

LOLA: Lola ernsthaft Ja, mein König. Schönheit ist nicht immer Gnade, sondern ist

zuweilen ein Fluch und zieht nur zu oft Hass und Verfolgung nach sich.

 

KÖNIG: Ja, ich weiß: Schöne Frauen ziehen das Unheil an.

 

LOLA: In Indien sagt man: Eine schöne Frau gehört der Welt, eine hässliche Dir

allein.

 

KÖNIG: Dann will ich mir fest vornehmen, die Welt zu sein, die von Dir in Atem

gehalten wird.

 

Der König nimmt Lola zärtlich in die Arme. Beide sinken in inniger Umarmung zu

Boden.

Zwischenbild: „Vater König unser, der Du bist als Ludwig I.“

Drei Münchner Bettler.

 

DREI BETTLER: abwechselnd Vater König unser, der Du bist im weißblauen

Königreich ein selt’ner Gast, geheiliget werde dein Name Ludwig als erstes in Italien

und Sizilien, zu uns komme wer mag, nur bleib Du für immer in Griechenland. Dein

Wille geschehe weder im Himmel noch auf Erden, und in Bayern sowieso nicht.

Bezahle unsere Schulden, wie wir die Deinigen bezahlen müssen. Führe uns nicht in

Versuchung durch deine Theaterweiber Dahn und Lizius. Erlöse uns von deren

Mezzogesang und Koloraturen, erlöse uns ganz besonders vom Übel deiner Person

und von deinem Schöngeist, damit hierzulande die Armut und Hungersnot ein Ende

haben mögen. Komme nie wieder ins Bayerische Königreich, um den Bierpreis

anzuheben, nur weil Dir das griechische Gesöff den philhellenischen Kopf vernebelt

hat. Möge dein Architekt Klenze von der Schwindsucht befallen werden, damit

München bleiben kann, was es immer war: Ein Hort der bayerischen Gemütlichkeit –

bis in alle Ewigkeit. Amen.

 

Lichtwechsel

3. Bild „Primadonna-Knöcherl“

Garderobe. Kammersängerin Lizius, Adjutant Nussbaumer.

 

NUSSBAUMER: Ihre Nächte mit dem König sind gezählt.

 

LIZIUS: Das glauben Sie doch selbst nicht. Nussbaumer, wie oft hat er mich besucht,

wenn er zuvor mit dieser Mezzo-Sopranistin zusammen war.

 

NUSSBAUMER: Erlauben Sie mir den Einwand, Frau Lizius, bei der Frau Dahn hat

er sich – vergleichsweise – nur ausgeruht.

 

LIZIUS: Ausgeruht? Soll das heißen, dass er eine neue Liebschaft hat?

 

NUSSBAUMER: Ja, das soll es heißen, das heißt, mit anderen Worten ausgedrückt

soll das heißen: Die spanische Lektion ist sehr, sehr anstrengend, schweißtreibend wie

die andalusischen, lauen Nachtwinde.

 

LIZIUS: Sprechen Sie von dieser andalusischen Eintagsfliege?

 

NUSSBAUMER: Sie wissen besser als ich, dass unser geliebter König keine Mühe

scheut, der Kunst im Allgemeinen und den Künstlerinnen im Besonderen zu dienen,

wenn sie nur hübsch anzuschauen sind.

 

LIZIUS: Dieses Mistweib!

 

NUSSBAUMER: Sie bekommen also am Hoftheater Konkurrenz, wenn auch von der

andern Sorte oder wie es im Theater so schön heißt: Sparte.

 

LIZIUS: So ist also dieses Geschwätz im Theater kein Gerücht.

 

NUSSBAUMER: Kein Gerücht.

 

LIZIUS: Hat sie es also geschafft, diese Schlampe!

 

NUSSBAUMER: Lolas Lustgeschrei kommt Ihrer bewundernswerten Koloratur-

Technik ziemlich nahe, wenn Sie mir, Frau Lizius, diesen Vergleich erlauben wollen.

 

LIZIUS: Das glaube ich einfach nicht.

 

NUSSBAUMER: So peinlich mir das Ganze ist: Es ist die Wahrheit, nichts als die

nackte Wahrheit. Sogar die Kuppelhauben der Frauenkirche sollen rot angelaufen

sein.

 

LIZIUS: Der Intendant, was sagt unser Intendant dazu?

 

NUSSBAUMER: Zu den Kuppelhauben?

 

LIZIUS: droht ihn zu ohrfeigen

 

NUSSBAUMER: Was soll er schon sagen, wenn er keine Etatkürzungen in Kauf

nehmen will.

 

LIZIUS: kreischt Das verschlägt einem doch den Atem!

 

NUSSBAUMER: Das ist schlecht für den Gesang.

 

LIZIUS: Schlecht, Nussbaumer? Das ist eine Katastrophe! versucht zu singen, was

eher einem Krächzen gleicht Ich bringe keinen Ton heraus! Wie um Gottes willen soll

ich morgen singen, schreit angesichts dieser Furie, dieser Theatermatratze, die nichts

weiter kann, als ihre Beine spreizen wie eine Schere. Wie soll ich da noch singen

können.

 

NUSSBAUMER: Indem Sie es gar nicht erst versuchen. Ihre Vorstellung morgen fällt

aus. Sie können das Singen bleiben lassen.

 

LIZIUS: Wie bitte?

 

NUSSBAUMER: Ja, sie fällt aus. Sie haben morgen frei. Stattdessen steht „Lola

Montez“ auf dem Programm: eine Premiere, eine Tanz-Premiere, eine Gala-

Vorstellung. Lola Montez großer Auftritt im Hoftheater – in Anwesenheit des

Königs.

 

LIZIUS: stammelt Lola Montez. Gala-Vorstellung. Großer Auftritt. König auch da.

Urplötzlich, in wilder Verzweiflung, versucht sie vergeblich zu singen, wobei sie sich

– von allen guten Geistern verlassen – auf dem Boden wälzt. stammelt Nussbaumer,

mein lieber, lieber Nussbaumer, das muss diese Hure büßen. Versprich mir, dass sie das

büßen muss, und auch der König, dieser Hurenbock, dieser Metzenkönig, ich bitte

Dich mit mir zu schlafen, nimm mich, wenn diese Schlange morgen auf offener Bühne

ihren Hintern kreist, nimm mich, am besten dort hinten auf der Bühne, nein, noch

besser: im Souffleurkasten, wenn der König in seiner Loge mit geilen Augen diese

spanische Schlampe verschlingt, versprich mir, dass Du diese Hure verführst, dass Du

mit ihr schläfst, so wie Du mich geböckelt hast, während der edle König in Bad

Brückenau seine müden Lenden im Jungbrunnen erfrischte, ich bitte Dich, tu’s mir zu

Liebe, ich brauche diese Rache, wie der Teufel die armen Seelen braucht.

 

NUSSBAUMER: Liebe Lizius, ich bin der Adjutant des Königs.

 

LIZIUS: Eben. Dann wird es Dir ein leichtes sein, den beiden beim Tête-à-Tête nicht nur

zuzuhören, sondern Dir die Lola zu greifen wie einen Hühnerarsch, sie aufzuspießen

wie einen Steckerlfisch. Nussbaum, Du mein prächtiger Baum, Du musst die Lola

knacken wie eine Nuss, Du musst mir ihre Innereien servieren, wie einst der Salome

dieser schöne Wuschelkopf serviert wurde.

 

NUSSBAUMER: ironisch Köpfe sind heute noch nicht gerollt. Wünschen Madame

vielleicht Leber oder Lunge?

 

LIZIUS: schreit Primadonna-Knöcherl wünsche ich! Verstehst Du mich! Zwei

Knöcherl à la „Lola Montez“.

 

Lichtwechsel

Zwischenbild: Lolas Premieren-Tanz.

Der König sitzt in der Loge.

 

Eine weiche, warme Melodie wird hörbar. In einem schwarzen, spanischen Kostüm,

von kostbarer Spitze gesäumt und von sprühendem Brillantschmuck belebt, eine

dunkelrote Rose im nachtschwarzen Haar, tritt Lola Montez aus der O-Gasse. Mit

weiten, wiegenden Schritten gleitet sie über die Bühne in den Vordergrund. In einer

tiefen Verneigung sinkt sie zur königlichen Loge gewendet in sich zusammen. Beifall

des Königs. Die Tänzerin verharrt in ihrer Stellung bis die sanfte Melodie verklingt.

Unvermittelt setzt die Musik mit synkopierten, erregenden Rhythmen ein, erfasst den

Körper der Tänzerin. Aus der tiefen Verneigung richtet sie sich im Takt der Synkopen

langsam auf, hebt die Arme hoch, schlägt die Kastagnetten. Der schlanke Leib biegt

sich, ein Wiegen der Hüften, ein Drehen, kleine verhaltene Schritte, ein leichtes

Aufstampfen. Die Musik wird drängender, leidenschaftlicher. Jäh reißt sie die

Tanzende zu einem federleichten Sprung empor. Dann wirbelndes Drehen,

bacchantische Gelöstheit. Rhythmus, Anmut, Grazie und jubelnde Erfüllung. Lola

Montez lässt alle Register ihrer Kunst spielen. Sie tanzt ihre feurigen Fandangos und

Boleros nicht schulgerecht. Frei von allem Herkömmlichen, eigenster, persönlichster

Ausdruck in jeder Bewegung, reicht ihre Skala von naiver Kindlichkeit und Anmut

bis zu berückender Glut und Entfesselung aller tänzerischen Leidenschaften, an

Wollust grenzend. Und so unvermittelt, wie er begann, ist der Tanz zu Ende. Die

Musik bricht ab. Die Kastagnetten schweigen. Lola sinkt wieder, gegen die Hofloge

gewendet, nieder. Lächelnd blickt sie mit erhitztem Gesicht und strahlenden Augen

zum König auf. In rührender Geste bedeckt sie mit beiden Händen die fast entblößte,

von den raschen Bewegungen heftig wogende Brust. Ohne auch nur einen einzigen

Blick auf das Publikum zu werfen, gleitet Lola von der Bühne. Stille. Der König

applaudiert. Das (echte) Publikum macht es ihm nach.

 

Lichtwechsel

4. Bild „Fleischeslust“

Privatgemach der Königin. Königin Therese, Beichtvater Pater Hilarius.

 

KÖNIGIN THERESE: Nein, Pater, das werden sich die Damen nicht gefallen lassen,

dass sie in der Hofgesellschaft erscheint. Sie sagten: Er empfängt sie jeden Tag?

 

PATER HILARIUS: Jeden Tag, privat.

 

KÖNIGIN THERESE: So, so, vivat.

 

PATER HILARIUS: Nein, privat.

 

KÖNIGIN THERESE: Sie sagten, dass sie nicht hässlich ist, diese Tänzerin.

 

PATER HILARIUS: Das Böse bedient sich gern des Schönen als Maske; die Sünde

erscheint in lockender Gestalt.

 

KÖNIGIN THERESE: Ich bin ja gern bereit, ihm seinen sündigen Geschmack zu

lassen, aber jeden Tag.

 

PATER HILARIUS: Unseren allergnädigsten Herrn und König hat es befallen wie

eine Krankheit, von der wir ihn mit Gottes Hilfe zu befreien hoffen.

 

KÖNIGIN THERESE: Ja, ja, der liebe Gott ist willig, aber des Menschen Fleisch ist

schwach. Ich kenne meinen Ludwig. Aber jeden Tag, das ist mir fremd.

 

PATER HILARIUS: Dem Teufel aber gefällt’s.

 

KÖNIGIN THERESE: Dann treiben Sie dieser Frau den Teufel aus.

 

PATER HILARIUS: Nachdem uns das Mittel des Feuers genommen wurde, bleibt uns

der Glaube, das unerschütterliche Vertrauen zu Gott und seiner Kirche und das

häufige Gebet, damit die bedrängte Seele die Kraft finde, dem Bösen zu widerstehen.

 

KÖNIGIN THERESE: Beten, beten! Ich bete Tag und Nacht, und es hat nichts

genützt. Gibt es kein besseres Mittel der Teufelsaustreibung?

 

PATER HILARIUS: Jenes verruchte Weib hat des Königs Sinn verhext. Die Kirche

hat ein Interesse daran, alles zu entfernen, was dem katholischen Gewissen feindselig

oder schädlich ist. Die Mittel für Klosterbauten wurden erheblich eingeschränkt.

 

KÖNIGIN THERESE: Um Gottes willen, werden keine Klöster mehr gebaut?

 

PATER HILARIUS: Zu wenig. Der Lebensunterhalt für Lola Montez verschlingt

Unsummen von Geld. Hoheit, Sie wissen so gut wie ich: Das Glaubensinteresse! Das

Staatsinteresse! Nicht eines ist ohne das andere zu denken! Nur ein gottesfürchtiges

Volk ist lenksam! Diese Erkenntnis ist so bedeutend wie das Reinheitsgebot des

bayerischen Bieres.

 

KÖNIGIN THERESE: bekreuzigend Hopfen und Malz, Gott erhalt’s!

 

PATER HILARIUS: segnend Bis in alle Ewigkeit. Amen. Königliche Hoheit, mit Ihrer

und Gottes Hilfe sorgen wir dafür, dass der begierige Schlund von Lola Montez ein

für alle Mal gestopft wird. Im Abgehen Und dass das Bier für’s Volk bezahlbar bleibt.

 

Lichtwechsel

5. Bild „Stieler, Ihr Pinsel wird alt.“

Vorbühne: Atelier. König und Hofmaler Stieler.

 

Lola im Pelz. Sitzt vor einem großen Bild mit Schneelandschaft. Stieler überprüft

behutsam den Sitz der Pelzkapuze.

 

STIELER: Gut. wiederholt in kleinen Pausen Gut – gut – gut – gut. Lolas fast

vollendetes Porträt ist zu sehen, davor der König in Mantel und Zylinder.

 

KÖNIG: Stieler, Ihr Pinsel wird alt.

 

STIELER: Aha.

 

KÖNIG: Nein, gefällt mir nicht.

 

STIELER: Aha, gefällt ihm nicht.

 

KÖNIG: Zu offiziell.

 

STIELER: Zu offiziell, aha.

 

KÖNIG: Zu steif, aha.

 

STIELER: Der Pinsel zu alt. Zu steif, aha. Tja, was soll ich da bloß machen. Er beugt

sich zum König hinab Vielleicht könnte man den Mantel fallen lassen? Verstehen

Majestät, ohne Mantel? Dann hängt alles a bisserl runter, weniger steif…

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783955950101
ISBN (Paperback)
9783955950194
DOI
10.3239/9783955950101
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2013 (Februar)
Schlagworte
könig ludwig lola montez
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Titel: König Ludwig I. und Lola Montez
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